Ich liebe dieses Gefühl vor Konzerten

Bepackt mit Akkordeon, Cello, Ukulele und Kostümen quetschten wir uns in den kleinen Oltner Stadtbus und liefen dann dem Fluss entlang Richtung altes Industrieareal. An den Wänden der Gebäude schillerten Graffiti mit verschiedensten Motiven. Es fühlte sich nach einer richtigen Kunststätte an.
Als wir den Raum betraten, probte bereits die erste Band. Der Tontechniker war dabei, alle Instrumente richtig zu verstärken, und führte verschiedenste Checks durch. Im Raum war diese gewisse, schwer fassbare, Vorfreude.
Ich liebe dieses Gefühl vor Theatervorstellungen oder Konzerten, wenn alle ein bisschen gestresst sind und langsam der Adrenalinspiegel steigt. Die Zeit, noch alle Probleme zu lösen, ist zu kurz, und doch siegt die Vorfreude über die Aufregung. Als wir den Aufenthaltsraum betraten, roch es schon ein bisschen nach Essen, und in einer Ecke wurde Uno gespielt.
Auf den Sofas waren die verschiedenen Gruppen an Besprechungen oder am Auswendiglernen der Lyrics. Im Alltag an der Kanti begegnen wir uns nicht, doch an diesem Abend kamen wir alle als Musikbegeisterte dorthin, und nicht als Schülerinnen oder Schüler, und konnten uns ganz neu kennenlernen.
Da alle Bands verschiedene Instrumente und Mikrofone benötigten, verzögerte sich der Soundcheck unserer Vorband. Unsere fünfköpfige Band hatte also nicht die Zeit, alle Songs durchzuspielen, zumal wir auch vier Gesangsmikrofone und zusätzlich zu den genannten Instrumenten noch Bass, Klavier, E-Gitarre und natürlich ein Schlagzeug brauchten. Das Konzert fand für uns im Rahmen des Schwerpunktfaches Musik statt, und wir versuchten, unsere eigenen Instrumente in eher typischen Songs einzusetzen.
Um acht Uhr wurden die Türen geöffnet und wir hörten im Stock unter uns die ersten Stimmen. Alle liefen durcheinander, assen ihre Spaghetti fertig oder zogen sich um. Als wenig später die erste Band die Bühne betrat, lauschte das Publikum gespannt und mucksmäuschenstill der melancholischen Klavierballade «Black Friday» von Tom Odell.
Während der nächsten Minuten war ich sehr aufgeregt und nervös. Ich hatte das Gefühl, dass ich auf der Stelle alle Akkorde vergessen würde oder nicht mehr wüsste, wie man sie spielt. Doch als wir auf die Bühne gingen und «Rumours» von Fleetwood Mac aus den Lautsprechern klang, war die Angst verschwunden. Ich hatte dieses Grundvertrauen, dass meine Finger in brenzligen Situationen alles wussten, meinen Kopf entspannen und der Freude Platz lassen können.
Ich liebe das Gefühl, wenn das Publikum das Lied erkennt und zu tanzen beginnt. Meine Freundinnen standen in der ersten Reihe und gaben mir unglaublich viel Sicherheit. Eigentlich habe ich gelernt, dass man bei Konzerten niemandem in die Augen schauen darf, aber immer, wenn ich in ihre Richtung sah, war ich mir ganz sicher, dass alles gut laufen würde.
Als wir nach dem Konzert vom Jugendkulturhaus Garage 8 an den Bahnhof liefen – es hatten noch wunderbare andere Bands gespielt –, war ich durch und durch glücklich. Wir sprachen über die gespielten Stücke der anderen Gruppen. Welche Texte wir kannten und welche uns am meisten berühren.
Als wir die Treppe bei der alten Holzbrücke zum Ländiweg hinuntergingen, sagte eine Freundin von mir: «Fast wie in Luzern, die alte Holzbrücke, die Häuserfront, die Aare und die wunderschönen Lichter am Abend. Magisch.» Sie hatte gerade, ohne es zu wissen, meinen Lieblings-platz in Olten entdeckt, und ich spazierte mit meinen Lieblingsmenschen dem plätschernden Wasser entlang.
Erschienen im OT, 07.02.2025