Bitte einmal Langeweile

In Olten regnet es, und die geschlossenen Sonnenschirme auf der Terrasse wirken wie Zeugen meiner Ideenlosigkeit. Ich sitze in der Mediothek und sehe aus dem Fenster. Eigentlich will ich einen Text schreiben, aber mir kommt nichts in den Sinn. Keine einzige Idee. Vor mir liegt ein Buch von Ewald Arenz mit wunderbaren Kurzgeschichten und auf meinen Kopfhörern läuft Fleetwood Mac. Leider bringen selbst das keine Inspiration. Mir ist langweilig. Nichts passiert. Fuck.
Jetzt würde ich normalerweise mein Handy suchen und meine Nachrichten checken. Wahrscheinlich würde ich meiner besten Freundin schreiben, dass ich keine Ahnung habe, worüber ich schreiben soll, und dass mich alles nervt. Das Handy ist aber in meinem Spind!
«Strategie 113» zur Bekämpfung von Zeitverschwendung durch mein Handy: Ich sperre es morgens, wenn ich an die Schule komme, unten in den grauen Spind und nehme es abends wieder mit. Das ist wahrscheinlich eine der wenigen Methoden, die bis jetzt funktioniert. Ich habe schon alles versucht. Mein Handy auf Schwarz-Weiss einzustellen (um den visuellen Reiz zu vermindern, das habe ich von Instagram, wie ironisch); es nur an einem Ort zu brauchen und alle Benachrichtigungen stummzuschalten usw. Leider ist es zu einem unwillkürlichen Reflex geworden, es zu brauchen. Und bei der Idee zu diesem Text beginnt mein nächstes Problem, denn eigentlich möchte ich mich gar nicht mit dem Thema Handy und soziale Medien beschäftigen. Weil es mich nervt. Alle reden immer davon, dass sie zu viel am Handy sind, unternehmen aber nichts. Ich bin manchmal so wütend über die Erfindung des Handys, und vor allem der ganzen Algorithmen. Wie viel einfacher wäre es doch, wenn es das alles gar nicht gäbe, denke ich mir in solchen Momenten oft.
Und trotzdem greife ich immer wieder danach. Mein Handy ist die Auflösung aller unangenehmen Momente geworden. Langeweile. Planlosigkeit. All die lästigen Lebenssituationen. Und ja, ich weiss, dass all das Warten und Langweilen sehr wichtig wäre, aber es ist eben auch einfach schwierig. Denn ohne Handy muss ich den Regen oder die Stille in Gesprächen ganz ohne Ablenkung aushalten. Das ist frustrierend und braucht mehr Energie.
In den Ferien habe ich mein Handy eine Woche lang zu Hause liegen lassen. Abends lag ich oft wie ein toter Käfer am Boden, weil wir den ganzen Tag Velo gefahren sind. Wenn mein Buch gerade nicht wirklich gut war und ich nicht mit meinen Mitmenschen reden wollte, war das einfach nur blöd. Was macht man da?
Ich habe alles Mögliche probiert: häkeln, Musik hören oder schreiben, aber manchmal ist nichts davon das Richtige, und dann liege ich einfach da und nerve mich. Irgendwann beginne ich dann doch zu häkeln, und am Ende bin ich richtig stolz auf mich. Ich beobachte zufrieden, wie mein Schal Reihe für Reihe wächst und nicht wie meine Laune durch das Scrollen schrumpft.
Wenn ich mich hingegen in diesen Momenten in der Unendlichkeit meines Handys verliere, kommt dabei nichts heraus. Kein Schal, keine Erinnerung, nicht einmal eine kleine Anekdote – nur Frust. Was ich an der Sache besonders krass finde, ist, dass es uns allen ähnlich geht. Meine Freundinnen beklagen sich auch immer darüber, zu viel Zeit auf Instagram verbracht zu haben. Und doch hat noch niemand von uns eine dauerhafte Lösung gefunden, um gegen den Algorithmus stark zu bleiben. Das ist auch klar, denn dieser wird in derselben Zeit weiterentwickelt, damit wir brav noch etwas länger dableiben. Wir alle versuchen, einen Umgang zu finden, der uns dabei hilft, präsenter zu sein. Vielleicht reicht es schon, wenn wir uns ab und zu daran erinnern, dass das Handy beim Essen nicht an den Tisch gehört. Dort gehören Menschen hin. Oder Witze. Oder ein Stück Wolle. Währenddessen sitze ich hier und atme Langeweile ein. Und noch ein bisschen länger aus.
Erschienen im OT, 29.08.2025